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Durchfall bei Reisediarrhoe   

Bei und nach Reisen in tropische und subtropische Länder gilt die Diarrhoe als die häufigste Erkrankung. Untersuchungen ergaben, dass es bei etwa 40% aller Tropenreisenden noch während des Aufenthalts zu einer Episode von Reisedurchfall kommt.

Eine Reisediarrhoe liegt vor, wenn drei oder mehr ungeformte Stühle pro Tag bei gleichzeitigem Vorliegen eines oder mehrerer begleitender Symptome wie Fieber, Bauchschmerzen, Übelkeit oder/und Erbrechen bestehen. Meist ist die Reisediarrhoe innerhalb von 3 bis 4 Tagen selbstlimitierend. Die Ursachen der Reisediarrhoe sind uneinheitlich. In der Regel erfolgt die Aufnahme der Erreger über fäkal kontaminiertes Wasser oder Nahrungsmittel. Des weiteren können Ansteckungen mechanisch über verunreinigte Hände erfolgen. Auch durch die Beine von Fliegen können Speisen kontaminiert werden. 

Neben einer Vielzahl von Bakterien, kommen diverse Viren und in Frage. Bakteriell bedingte Durchfällewerden durch toxigene unParasiten als Verursacher des Reisedurchfalls d invasive Infektionen des Darmes wie auch durch Intoxikationen mit Stoffwechselprodukten der Keime ausgelöst. Die meisten Erkrankungen werden durch enterotoxische E. coli (ETEC) verursacht.

Zu den Vertretern der invasiven Bakterien zählen Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien, enteroinvasive E. coli (EIEC) und enterohämorrhagische E. coli (EHEC). Die enteropathogenen E. coli (EPEC) hingegen produzieren kein Toxin, sondern besitzen Adhärenzfaktoren für Darmepithelien, wodurch es zur Zerstörung der Mikrovilli im Darm kommt. Importierte Cholera-Infektionen sind bis auf Einzelfälle in Deutschland sehr selten. Bei schweren, bakteriell-bedingten Krankheitsverläufen kann die Verabreichung eines Chinolons indiziert sein.

Studien zeigten, dass auch verschiedene Viren als Erreger der Reisediarrhoe in Frage kommen. Allerdings werden virale Erreger nur selten im Rahmen der Stuhldiagnostik bei Reiserückkehrern bestimmt. Weltweit spielen Rotaviren die größte Rolle als Ursache virusbedingter Gastroenteritiden. In gemäßigten Klimazonen kommen Rotaviren ganzjährig vor. Von reisemedizinischer Bedeutung sind insbesondere Noroviren, die verschiedentlich bei umschriebenen Ausbrüchen, z. B. auf Kreuzfahrtschiffen oder Hotels, als Auslöser isoliert werden konnten. Virale Diarrhoen sind selbstlimitierend und bedürfen außer supportiver Behandlung, meist keiner weiterer Maßnahmen.

Unter den Protozoen finden sich bei Reiserückkehrern vor allem Infektionen durch Giardia lamblia, die zwar als Auslöser einer akuten Diarrhoe eine eher untergeordnete Bedeutung spielen, jedoch oftmals zu länger dauernden chronisch-rezidivierenden Durchfällen führen können. Infektionen mit Entamoeba histolytica verlaufen nur in 5 bis 10% als invasive Erkrankung. Bei Cyclospora-Infektionen, die zunehmend in Mittelamerika und Asien von Bedeutung sind, werden als Infektionsquelle oftmals Himbeeren oder Salate identifiziert. Nicht selten kann bei Reiserückkehrern mit protrahierten Durchfällen und abdominellen Beschwerden als einziges Pathogen Blastocystis hominis im Stuhl nachgewiesen werden.

Die Interpretation von Stuhlbefunden bei der Abklärung von akuten Diarrhoen wird durch die Tatsache erschwert, dass in 20% der Fälle mehr als ein potentiell pathogener Erreger gefunden wird. In bis zu 55% der Fälle lässt sich jedoch überhaupt kein ursächlicher Erreger finden. Differenzialdiagnostisch sollte daher auch an die Möglichkeit nicht-infektiöser Ursachen, wie der tropischen Sprue, Lactose-Intoleranz oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, gedacht werden, deren Beginn mit der Reise koinzidiert haben könnte. Durchfälle können auch durch während der Reise eingenommene Medikamente (zum Beispiel Anti-Malariamedikamente) bedingt sein. 

Zu den Risikofaktoren für die Reisediarrhoe gehören das Reiseziel, die Jahreszeit, der Reisestil (z. B. Rucksackreise, Badeurlaub), die Art der Unterbringung (Standardhotel, einfaches Quartier), das Herkunftsland des Reisenden, das Alter des Patienten, die Anzahl der Diätfehler sowie die Aufenthaltsdauer im Gastland. Um eine Durchfallserkrankung auszulösen, bedarf es der Aufnahme bestimmter erregerabhängiger Mindestkonzentrationen. Bei verminderter Magensäureproduktion oder Einnahme von Antazida, kann jedoch bereits eine geringe Anzahl von Erregern ausreichen, um eine Erkrankung zu verursachen.

In den meisten Fällen ist trotz reisemedizinischer Beratung die Nichtbeachtung von nahrungsmittelhygienischen Grundsätzen im Urlaubsland die Ursache für die akute Diarrhoe. Da der Präventions-Slogan "Boil it, cook it, peel it, or forget it" vom Reisenden zu häufig missachtet wird, bleibt die Reisediarrhoe somit ein ständiger Begleiter des Urlaubers.


Erregerspektrum von akuten Reisediarrhoen

Bakterien: 
Staphylococcus aureus   

Bacillus cereus    
ETEC      
EIEC                                                            
EHEC      
EPEC      
Salmonella ssp  
Campylobacter ssp    
Yersinia ssp.      
Shigella ssp.      

Vibrio cholerae
Vibrio parahaemolyticus

Aeromonas hydrophila
Clostrium perfringens
Clostridium difficile 
Plesimonas shigelloides

Parasiten:
Giardia lamblia
Entamoeba histolytica
Cyclospora cayetanensis
Kryptosporidien
Mikrosporidien
Blastocystis hominis
Isospora belli
Strongyloides stercoralis
Schistosoma mansoni
Trichuris trichiura

Viren:

Rotavirus
Norovirus
Astrovirus
Adenovirus
Calicivirus
Coronavirus
Coxsackie-A- und B-Virus
ECHO-Virus

Schutz vor Reisedurchfall möglich - oraler Cholera-Impfstoff auch gegen durchfallverursachende Coli-Bakterien wirksam 

Als häufigstes Gesundheitsproblem bei Reisenden gilt Durchfall. Gerade bei ein bis zweiwöchigen Urlaubsreisen können Durchfallsepisoden zu einer erheblichen Einbusse der Erholung führen und oftmals das geplante Rahmenprogramm, wie Tagesausflüge entweder ganz verhindern oder zu einem quälenden Martyrium werden lassen. Besonders heikel  kann eine Durchfallserkrankung während einer Safari-Pirschfahrt oder aber bei einer Busreise in einem Linienbus durch Indien werden. Auch können Durchfälle bei vollbesetzten Flugzeugen auf der Rückreise durchaus Qualen verursachen. Häufigste Verursacher der klassischen Reisediarrhoe sind die toxin-bildenden enterotoxischen Escherichia coli (ETEC). Die Infektion mit ETEC verursacht eine Diarrhoe, die sich sowohl als leichter Durchfall bis hin zu massiver Cholera-ähnlicher Erkrankung mit Dehydrierungsgefahr äußern kann.

Die ETEC kolonisieren ähnlich wie Vibrio (V.) cholerae den Dünndarm und scheiden ein hitze-labiles (LT) und/oder hitze-stabiles Toxin aus. Dies Toxin ist sowohl strukturell als auch biologisch dem Cholera-Toxin sehr ähnlich. Aus diesem Grunde weist dieses Toxin eine immunologische Kreuzreaktivität zum Cholera-Toxin auf. 

Seit kurzem steht in Deutschland ein zugelassener oraler Cholera-Impfstoff (Dukoral®) zur Verfügung. Dieser Impfstoff war bis dato bereits seit einigen Jahren erfolgreich in Schweden eingesetzt worden. Der Impfstoff enthält rekombinant hergestellte þ–Untereinheiten des Cholera-Toxins und hitze-bzw. formalin-inaktivierte V. cholerae O1 Ogawa, hitzeinaktivierte V. cholerae O1 Inaba und formalin-inaktivierte V. cholerae O1 Inaba, Biotyp El Tor. In Feldstudien in Peru und Bangladesh konnte die gute Schutzrate dieses Impfstoff gegen Cholera gezeigt werden. 

Die Impfung besteht aus 2 Dosen, die von Kinder ab 6 Jahren und Erwachsenen im Abstand von 1 bis 6 Wochen eingenommen werden. Durch die Impfung wird ein Schutz vor Cholera erzielt, der 85-90% beträgt. Eine Wiederimpfung empfiehlt sich bei weiterer Exposition nach Jahren. Bei Kindern unter 6 Jahren sollten initial 3 Dosen des Impfstoffs verabreicht werden und die Wiederimpfung bereits nach 6 Monaten erfolgen. 

Die orale Impfung mit einem Impfstoff der Cholera-Þ-Untereinheiten als Antigen enthält führt zur Induktion einer protektiven Immunantwort auch gegen LT-ETEC. Die Immunität ist zwar hoch spezifisch, jedoch zeitlich begrenzt. Studien zeigten, dass durch die orale Impfung Protektionsraten von bis zu 80% gegen LT-ETEC erreicht werden. Besonders gute Schutzraten konnten gegen gemischte Infektionen zwischen ETEC und anderen Darmpathogenen bzw. gegen Koinfektionen von ETEC und Salmonella-Spezies (82%) erreicht werden.

Empfohlen ist die Impfung generell für Reisende, die sich insbesondere längerfristig in ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern aufhalten. Aufgrund der Kreuzprotektion gegen ETEC bietet dieser Impfstoff jedoch gerade für den Urlauber, der die wenigen schönen Tage des Jahres ungetrübt verbringen möchte, einen großen Vorteil. Etwa 40% der Fernreisenden erkranken an Reisedurchfall, wobei bei mindestens 40% ETEC für diese Malaise verantwortlich ist. Rechnerisch erkranken demnach 16% aller Fernreisenden an einem impfpräventablen Durchfall.

Ausgehend von einer Schutzrate gegen ETEC von 70% würden demnach 10% aller geimpften Fernreisenden  effektiv vor Reisedurchfall geschützt. In Anbetracht der oftmals hohen Ausgaben für eine Urlaubsreise lässt sich durch die Impfung gegen Cholera bei immerhin 10% der Reisenden ein beschwerdefreier Urlaub vorhersagen.

Unerwünschtes Reisemitbringsel: Bei Durchfall an Lamblien denken

Durchfall-Erkrankungen: Ansteckung durch Schmierinfektion oder kontaminiertes Wasser sowie über Lebensmittel  

Giardia lamblia  

Die Lambliasis (synonym: Giardiaisis) ist eine Infektion des menschlichen Darmes, hervorgerufen durch das zu den Protozoen gerechneten Erreger, Giardia lamblia. Sie führt zu einer akuten oder chronischen Durchfallserkrankung. Die infektiösen Zysten des Erregers werden über den Darm ausgeschieden. Die Ansteckung des Menschen erfolgt über eine  Schmierinfektion oder kontaminiertes Wasser sowie Lebensmittel.

Für die Infektion des Menschen bedarf es der oralen Aufnahme von mindestens 10 infektiösen Zysten. In der Anamnese findet sich meist eine Tropenreise bzw. ein Aufenthalt in einem Land mit schlechtem Hygienestatus. Ein Mitbeteiligung von Personen, die die gleiche Nahrung zu sich genommen haben, z. B. am Salatbuffet, oder die im gleichen Haushalt leben, kommt oftmals vor. Giardien sind fakultativ pathogen. Daher verlaufen die meisten Fällen von Lamblien-Infektionen selbstlimitierend. 

Die Krankheitsbeschwerden beginnen nach 4 bis 7 Tagen mit Diarrhöen. Das Leitsymptom der Giardiasis ist der unregelmäßige Durchfall, der meist etwas heller gefärbt und von breiiger Konsistenz, jedoch nicht wässrig ist. Schleim- und Blutspuren sind in der Regel nicht enthalten. Charakteristisch ist der drängende Stuhlgang nach dem Essen, insbesondere dem Frühstück. Ein weiteres Leitsymptom ist eine deutliche Hyperperistaltik, die sich durch Rumoren und Plätschern im Dünndarm bemerkbar macht. Aus einer akuten Giardiasis kann sich eine chronische Infektion entwickeln. Dabei wechseln sich Phasen von normalem Stuhlgang mit Durchfallsschüben ab. Für die Patienten ist dabei besonders die Flatulenz störend, die durch fauligen Geruch auffällt.

Die pathogenetischen Ursachen für die durch Lamblien verursachte klinische Symptomatik ist ungeklärt. Einerseits kommt es durch Adhäsion der Trophozoiten an der Darmwand zur mechanischen Blockade. Auch dürften freigesetzte Toxine die Darmmukosa schädigen, was sich durch eine verminderte Aktivität der Disaccharidasen oftmals in Verbindung mit einer Laktoseintoleranz zeigt. Aus diesem Grunde resultiert bei Patienten mit chronischem Lamblien-Befall oftmals eine unterschiedlich ausgeprägte Malabsorptionssymptomatik.

Bei Personen mit Immunglobulinmangel findet sich ein Lamblien-Befall gehäuft. Da die intestinale Abwehr über sekretorisches IgA erfolgt, sind die Betroffenen oftmals nicht in der der Lage dieses Protozoon zu eliminieren.  

Als Mittel der Wahl bei der Therapie der Lambliasis gelten die Nitroimidazole. Die Behandlungsdauer sollte bei Metronidazol oder Nimorazol 7 Tage betragen, bei Tinidazol genügt eine Einmalgabe. Durch eine Wiederholungsbehandlung lässt sich die Heilungsrate nochmals verbessern. Für den Behandlungserfolg entscheidend kann die ggf. notwendige Mitbehandlung von Kontaktpersonen des Erkrankten, die asymptomatische Träger sein können, sein.

Kommt es trotz adäquat durchgeführter Therapie zu keiner Erregerelimination,  empfiehlt sich ein Behandlungsversuch mit Albendazol, das jedoch für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen ist. Gleiches gilt für Quinacrin und Furazolidon, die in Nachbarländern verfügbar sind, und ebenfalls zur Behandlung der Giardiasis eingesetzt werden können. Auch Chloroquin ist in höherer Dosierung bei der Behandlung der Lambliasis wirksam.

Text: Prof. Dr. Tino F. Schwarz, Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Medizinischer Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Würzburg


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